Sonntag, 23. April 2017

Flash Fiction :: Aus den Tiefen

"Der Mond ist vom Himmel gefallen und hat sich wieder der Erde vermählt, aus der er einst geboren wurde; Abgründe haben sich eröffnet, die seit Äonen verschlossen gelegen haben, und all des Menschen Werk ist in Staub zerfallen. In toter Stille schlafen die zerfallenen Häuser und die trümmerbedeckten Straßen, dort, wo vor Zeiten einst die Mengen wandelten, geschäftig, eilig, den Geschäften einer edlen Dynastie verpflichtet. Doch nun herrscht nur noch Schweigen und Finsternis, und manchmal scheint es, als ob man Murmeln und Schlurfen hört, und ein Geräusch, als ob sich tief unter der Erde Türen öffnen und schließen würden.
Es heißt, dass manches Nachts schlanke, bleiche Gestalten aus den schwarzen Reichen von Yoth und Naggai, Atvatabar, Mizora, Skartaris emporsteigen, um im Licht der schwarzen Sterne in den Trümmern einer lang vergang'nen Zivilisation zu wandeln. So groß ist ihre Schönheit, dass jeder, der sie sieht, mit seinem Leben bezahlen muss, wenn der Schlag seines Herzens vor Verzückung innehält. Sind es Engel, sind es Seelen?
Oder nur die feenhaften Geister derer die lebten, bevor der Mond sich der Erde wieder vermählte? Bleich und schlank sind sie, unbekleidet, fahl im Sternenlicht. Über ihren maskenhaften Gesichtern sträubt es sich bebend wie ein Knäul augloser Nattern, oder der Tentakelkranz einer Seeanemone.
Ein Geräusch ertönt, als ob sich tief unter der Erde Türen öffnen und schließen würden…
Dann herrscht wieder Dunkelheit und Leere.

(Gestrichenes Material aus "An den Ufern von Demhe")

Samstag, 22. April 2017

Die Welt: heute, morgen, gestern

Ein Jahrzehnt der alltäglichen Katastrophe. Tod und Verderben werden nur noch schlagzeilenweit und werden schnell vergessen. Man hat sich längst an die Unausweichlichkeit des Genozids gewöhnt, die Reizschwelle ist längst überschritten, niemand kümmert sich noch um den Terror der Modernen Welt.

Das Unnormale, Unmenschliche – es ist zum Normalen geworden... dies ist die gemeinsame Realität, an die das Universum gebunden, oder besser noch, gekettet wurde.

Denn es gibt keine Alternativen mehr. Wo ist die Evolution, wo ist die Revolution?

Es ist immer das Ende der Welt, wie wir sie kennen; nie der Beginn einer Welt wie wir sie wollen: Karmageddon, jeder bekommt was er verdient; die Heilige Harpokalypse, der Weltuntergang in aller Stille.

(Gesammelte Editorials 1992-2017, aus "Zarathustra im Fegefeuer", demnächst auf diesem Kanal) 

Anmerkung der Redaktion:
Wenn man bemerkt, dass die meisten dieser Sätze 25 Jahre alt sind, könnte man nachdenklich werden. Muss man aber nicht. In den Worten des Barden: Es bleibt schwierig.

Donnerstag, 20. April 2017

Shortcuts 2017-04-20

Abt. Zitat der Woche
"From here, the Nineties look like the bloody Enlightenment. Back then, we were just a hungover post-imperial nation that was expected only to fuck, take drugs, make art and dance really badly. Now, the fight for the future is on."
Warren Ellis,  Always A Mad Rush - Orbital Operations 9 Apr 17



Abt. Verdammte Bücher
Beim Durchblättern ganz alter "Phantom Stranger"-Comics - wie immer auf der Suche nach Trivia und Ideen, um meine Mitmenschen zu plagen - stolperte ich über die kurze Erwähnung eines weiteren dieser schätzenswerten "verdammten" Bücher, das so genannte "Ebontome". Nicht schlecht, dachte ich. "ebon" von "ebony", also Eibenholz, im Sinne von "dunkel, schwarz", seit dem 16. Jahrhundert belegt + "tome", ein Band eines mehrteiligen Werkes, im Sinne von "ein großes Buch" auch seit dem 16. Jahrhundert belegt.
Also, "Das Große, Schwarze Buch"... geht einem auf jeden Fall viel leichter von der Zunge als das Nekronomoni... Nekumonikrumm... Kommorum?



Momentan macht der Trailer für den neuen "Thor"-Film die Runde, und allüberall klappen die Kinnladen runter.
Wäre es vielleicht Zeit, die alte Sitte des "Kirby Thorsday" wiederaufleben zu lassen?
>>> Archiv



Abt. Fundstück der Woche
A great friend of mine who rarely came to the Lilas came over to the table and sat down, and just then as my friend was ordering a drink from Emile the gaunt man in the cape with the tall woman passed us on the sidewalk. His glance drifted toward the table and then away.

“That’s Hilaire Belloc,” I said to my friend. “Ford was here this afternoon and cut him dead.”

“Don’t be a silly ass,” my friend said. “That’s Aleister Crowley, the diabolist. He’s supposed to be the wickedest man in the world.”

“Sorry,” I said. 

ERNEST HEMINGWAY, A Moveable Feast

Donnerstag, 13. April 2017

Mythos und Mehlkartoffeln

Seien wir doch mal ehrlich…
Soweit sind wir gekommen, aber die Vorstellung, in dieser modernsten aller Zeiten, der „Zukunft nach dem Bild der Vergangenheit“, in einer Epoche des galoppierenden Materialismus, der Wettbewerbs- und Medienkultur, seine Zeit mit metaphysischen oder vielleicht sogar idealistischen Suchen zu verschwenden, ist doch ziemlich bizarr, oder?
Wer braucht schon Mythos, wenn es abends Mehlkartoffeln gibt, frittiert und nach EU-Norm?
Wir brauchen nicht mehr suchen, im Informationszeitalter kann man Maschinen für sich suchen lassen.
Die Bildschirme flackern: Geheimnisse gibt es nicht mehr, also auch nicht das Geheimnisvolle oder Unerklärliche.
Ja, es sieht tatsächlich so aus, als hätten wir alle Antworten, aber vielleicht keine Fragen mehr.
Die Banalität des Alltags lässt auch alles andere banal erscheinen, Fakten sind Waren, Waren sind Fakten; das einzig aufregende ist vielleicht noch die Fiktion.
Und ja, wir haben es geschafft, das Universum an eine gemeinsame Realität zu binden, die langsam anfängt, genauso banal zu erscheinen.
Andererseits, wir haben alle ‚Illuminatus’ gelesen – und nicht den Schrott von Dan Brown – und sollten wissen, dass die Konsensrealität nur eine Facette des holographischen Universums ist, das auch ganz anders aussehen kann, wenn man nur einmal den Blickwinkel ändert und unter seine Haut blickt. (Universum und Individuum spiegeln sich ineinander wider, und das eine enthält das andere.)
Mehlkartoffeln, die Befriedigungen des Alltags, mögen vielleicht den Körper sättigen, was aber mit den Appetiten des Geistes und der Seele?
Wir suchen weiterhin nach einer Sprache, die das Universum nicht ignorieren kann; diese Sprache ist die der Magie.

(aus "Zarathustra im Fegefeuer", demnächst auf diesem Kanal)