Sonntag, 4. Oktober 2015

Werkstattbericht 2015-10-04



Früher hat irgendein apostater Wanderbischof mich einmal "die Maschine" genannt, wegen des schnellen und verlässlichen Ausstoßes von Texten - eine noch charmante Umschreibung für jemanden, der Zeilenhonorar bekommt und um jedes Wort bis aufs Blut feilschen würde. Ganesha sei Dank bin ich inzwischen auf so etwas nicht mehr angewiesen, sondern bin in ein Alter gekommen, in dem ich mir aussuchen kann, was ich wann schreibe, und vor allem auch, was ich mache, wenn ich eigentlich gar keine Zeit für irgendetwas habe. Die hohe Kunst der Prokrastination, oder: Dinge, die man mal zwischendurch machen kann, um sich die Zeit zu vertreiben, oder um ein bisschen Spaß zu haben.

Anfang letzten Monates hatte ich beim Prokrastinieren eine Mappe mit alten Landkarten halbvergessener Fantasywelten gefunden. Einige von ihnen sind inzwischen so ausgeblichen, dass ich an einem Nachmittag den Scanner anwarf, um sie dem Vergessen zu entreißen. Nicht schön, aber selten, könnte man sagen. Das Bildmaterial zu reparieren half mir über einen anderen verregneten Nachmittag. Eine nette Ablenkung, um den Kopf für andere Sachen frei zu bekommen.

Und weil ich gerade dabei war, habe ich auch noch das vorliegende Textmaterial gesichtet, betrübt den Kopf geschüttelt und von 300 Seiten Text nochmal 10 gerettet - die allerersten zwei Geschichten, die ich auf dieser halbvergessenen Welt angesiedelt habe. Das waren simple, lineare, schnellgeschriebene Abenteuergeschichten um einen Conan-Klon (mit Elefantenkopf), alles später geschriebene war versunken in einem experimentellen, dekadenten Schreibstil, der selbst für mich kaum noch lesbar ist. Die Welt der Tiermenschen, beschrieben in einem Stil, der ebenfalls tierisch ist... tierisch schlecht.

Eine der Geschichten habe ich weggelegt, was genau da geschieht, ist mir selbst noch unklar.

Aber derweil ich den ganzen alten Kram ablegte in einen der hinteren Ordner meines Archives geschah etwas Eigenartiges. Ich war milde fasziniert von dieser vergessenen Welt, und fand den Helden, wie er in seinem allerersten Abenteuer auftrat, irgendwie sympathisch. Nicht besonders helle, vielleicht etwas gewalttätig, aber irgendwie liebenswert. Wäre ich mal bei dieser Version geblieben, dachte ich mir, und derweil ich den Haushalt im Gang hielt oder mit dem Hund spazieren ging, dachte ich darüber nach, wie sich das alles entwickelt hätte, wenn ich diesen Charakter so weiterentwickelt hätte.

Warum nicht? Die Landkarten habe ich auch gerettet, mit allen Warzen.

Ein paar Plots und Hintergrundinfos habe ich auch schon abgelegt und ein echt scharfes Logo für den guten Mann entwickelt. Den Ordner lege ich jetzt mal ganz vorsichtig weiter nach hinten, keine Ahnung, wann und ob ich da mal weitermache. Aber ich könnte, ohne mich schlecht zu fühlen.

So simple, lineare, schnellgeschriebene Stories haben ja auch was für sich.
Alles in allem, keine schlechte Ausbeute für einen Monat Herumgammeln an der Tastatur.

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