Sonntag, 26. Januar 2014

Die grossen Damen der Phantasie [1]

Der hochverehrte Leser wird schon vor einiger Zeit erschrocken festgestellt haben, dass ich in meinem beständigen Streit mit der Wirklichkeit, dem Streit wider die Moderne, die Postmoderne und die Post-Postmoderne immer wieder zu Ideen und Bildern zurückkehre, die eigentlich einer ganz anderen Generation angehören oder in unangemessen vergangenen Epochen populär waren. Das betrifft auch die Lektüre, mit denen ich meine Regale fülle. Da gibt es einiges Empfehlenswertes, das während des letzten Jahrzehntes in Vergessenheit zu geraten droht.

Wer also wie ich zu den Freunden der Weltflucht gehört, und gerne einmal sein unerträgliches Dasein oder seine ernsthaften Studien durch einen Ausflug in eine buntere Welt auffrischen will, die entweder phantastischer oder noch schrecklicher ist als diese Parallele, dem möchte ich zuerst einige Autorinnen* empfehlen, bevor die virtuelle Welt sie komplett verschlingen kann. Die großen Herren der Phantasie haben die Zeiten besser überstanden, egal ob sie xenophobe Einsiedler oder manisch-depressive Texaner waren, aber man kann ja nun auch nicht sein ganzes Leben lang nur Robert E. Howard Philips Lovecraft lesen.

Schauen wir mal ein paar Jahrzehnte zurück, gibt es einige Autorinnen, die heute unverdienterweise in Deutschland kaum noch nachgedruckt werden. Das einzige gute, was man daran finden kann, ist dass die Titel, die früher herausgegeben wurden, nun teilweise für einen Spottpreis (+ Porto) im Internetbuchhandel zu finden sind, wenn man sich nicht an kleineren Macken oder eigenartigen Flecken stört.

Die jüngste Autorin, die halb vergessen dasteht, obwohl sie noch lebt und weiterhin produktiv ist, ist die Engländerin Tanith Lee (* 19. September 1947).
Wen nicht bereits der geheimnisvolle Vorname überzeugt, dem sei gesagt, dass sie mit ihren stylischen, "gotischen" Novellen und Romanen sicherlich Epigonen wie Anne Rice u.ä. das eine oder andere beigebracht hat, ohne mit weltanschaulichen Patzern in Erklärungszwang zu geraten.

Das Adjektiv, dass bei Beschreibungen ihres OEvres und Stiles am meisten fällt, ist sicherlich "sinnlich". Tanith Lee schreibt farbiger, düsterer, aber auch sinnenfreudiger als die meisten Autoren. Natürlich fehlt es auch nicht an erotischen Aspekten, wobei eine leicht perverse Grundhaltung sogar noch für mehr Abwechslung sorgt.

Bekannt geworden ist Tanith Lee mit ihrer "Birthgrave"- oder "Vazkor"-Trilogie, die manchmal als Beispiel klassisch epischer Fantasy genannt wird. Das mag sein, konnte mich aber nie überzeugen. es sind vor allem ihre schrägeren Werke, Serien oder Singles, die überzeugen.

Empfehlenswert sind auf jeden Fall alle Geschichten von der "Flachen Erde" - beginnend mit Herr der Nacht(Night’s Master, 1978), Herr des Todes (Death’s Master, 1979), Herr der Illusionen (Delusion’s Master, 1981) und dann Die Herrin des Deliriums (Delirium’s Mistress, 1986) und Nächtliche Zauber (Night’s Sorceries, 1987)

Dann gibt es noch "Das Blut der Rosen", in Deutschland als zwei Bände veröffentlicht: Der dunkle Engel und Der Gott des Waldes, (The Blood of Roses, 1990)

In sich abgeschlossene Singles sollen hier erwähnt werden: Ob nun Das Lied des Exorzisten. (Kill the Dead, 1980), Volkhavaar, der Magier. (Volkhavaar, 1977) oder Sabella oder der letzte Vampir (Sabella or the Bloodstone, 1980), alles kleine feine Novellen, die man an einem besonders griesigen Winterabend lesen kann.

Da Mrs. Lee immer noch sehr fleißig ist, gibt es noch Dutzende anderer Titel, die ich hier nicht aufführen kann oder möchte - diese Bücher oben stehen alle in meinem Regal und wenn ich sie auch niemandem ausleihen würde, kann ich sie vorbehaltslos empfehlen. Wer also ein paar Cent übrig hat und wagemutig ist, soll doch mal schauen, ob er den einen oder anderen Titel auftreiben kann. Ich meine, es lohnt sich.


* Wer sich jetzt wundere, dass ich weibliche Autoren aufführe, obwohl ich doch so ein Ausbund an Männlichkeit bin, können wir uns gerne mal hinter dem Falschbunker im Schnee treffen. ich werde denjenigen schonungslos verspotten und ein Sonett auf seine mentalen Unzulänglichkeiten dichten.

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