Die Vorstellung, dass die Zeit, in der wir leben, nicht die beste ist, und dass schlimme Dinge geschehen, und geschehen
müssen, ist ebenso einfach wie bestrickend logisch. Es ist deswegen so bestrickend logisch, weil die Nostalgie, diese sublimste Form der Nekrophilie, uns in jeder Sekunde unseres Lebens im Nacken sitzt, und je weiter wir uns von unserem Eintritt in die Erdensphäre entfernen, desto mehr spüren wir ihren Druck. Früher, ja, früher, da war alles besser...
Das Goldene Zeitalter ist 14 - oder jedes andere Alter, wo man sich noch keine Gedanken machen musste um Nachkommen, den Tod oder die Steuern, diese drei großen Plagen des
homo sapiens. Wir können unsere treuherzigen Vettern im Dschungel beneiden, wenn sie ohne Scham mit ihrem Kot nach den Zuschauern werfen, aber wir sind leider von den Bäumen gestiegen. Die Zeiten der Schamlosigkeit und des Kotwurfes sind leider vorbei.
Nostalgie schlägt zu und färbt selbst die lächerlichste Idee, Frisur oder Band rosa, die uns im Goldenen Zeitalter begegnete. Wir müssen sie nicht einmal gemocht haben, irgendwann werden wir sie in der Senilität des Erwachsenendaseins
lieben. Gibt es sonst eine Erklärung dafür, dass die Sachen aus den 90ern jetzt
echt hip sind?
Werden die Helden unserer Jugend zu frommen Schutzgöttern, welche, dicht in Nebel gehüllt, die Erde rings durchwandeln, als Geber alles Guten, Behüter des Rechts und Rächer aller Vergehungen? Wer so etwas glaubt, ist vielleicht nicht so geisteskrank, wie es auf den ersten Blick scheinen mag, sondern ist aktiv dabei, eine Neue Mythologie für das 21. Jahrhundert zu erschaffen, denn die Zukunft, die wir uns in dieser Goldenen Zeit erträumt haben, ist
TOT.
Du wirst den eigenen Flugring oder Schwarzen Monolithen nicht mehr erleben, Kumpel, nicht mal das Hoverboard haben sie hinbekommen. In welcher Parallelwelt ist Marty McFly gelandet? Und wie komme ich dahin? Wie erbärmlich ist es, eine Zukunft zu erträumen, die genauso ist wie die Gegenwart, nur mit besseren Handys? Auch dies ist Nostalgie nach den 90ern, nur haben wir heute die Haare schön, oder schneiden sie konsequent ganz ab. Das ist wohl Teil der Mythologie, die wir uns neu erschaffen, großzügig zusammen gestohlen aus nur marginal interessanteren Quellen,
copied and pasted. (Wundert euch nicht, dass selbst die Apokalypse immer lustloser wirkt.)
Goldene Zeiten in Deinem Kopf, in einem goldenen Schauer eingefärbt von der Nostalgie an Tage, die in dem Tagebuch, das Du nie geführt hast, schwarz und durchgestrichen waren
Zu den marginal interessanteren Quellen, die wir stumpf nachäffen, ohne dabei mal einen befreienden Kotwurf zu riskieren, gehört anscheinend auch Hesiod, ein irgendwie griechischer Autor von früher, der sich ebenfalls in affektierter Nostalgie erging.
"Früher war alles besser", sagte er und wartete darauf, seine Zuhörer mit einem weiteren goldenen Schauer zu tränken,
"das hier - das ist doch alles Scheiße. Ich bin Scheiße, ihr seid Scheiße, die Welt in der die Menschen leben, ist Scheiße. Sie selbst aber sind die größte Plage. Und überhaupt: eines Tages wir am Himmel ein großer rosa Arsch erscheinen und hier alles zuscheißen. Aber vielleicht haben wir bis dahin schöneres Haar - oder bessere Handys."
Das waren noch Goldene Zeiten.