Montag, 21. April 2025

Flash Fiction :: Piep-Show

Mallory biss in ein gelbes Marshmallow-Küken.
Süß, dann salzig. Dann metallisch.
Blut füllte ihren Mund. Sie würgte.
Das Küken grinste.
In der Küche zuckte die Tüte.
Winzige Küken piepsten – leise, dann schrill, wie tausend Babyfone.
Sie griff zum Messer. Zu spät.
Die Küken schlüpften, rissen die Folie auf, Zuckergesichter starrten gierig.
Der Ofen sprang an.
Sie sprangen hinein.
Brutzeit.
Mallory schrie, als ihr Rücken knackte, Arme zu Flügeln wurden.
Die Haut färbte sich gelb. Der Schnabel wuchs.
Die nächste Lieferung war bereit.
Extra fluffig.
Extra süß.

Sonntag, 20. April 2025

Flash Fiction :: Auferstehungssonntag

Am Karfreitag wurde sie beerdigt.
Am Sonntag war das Grab leer.
„Vielleicht ist die Erde eingebrochen“, sagte der Priester.
Aber die Ziege war verschwunden.
Dann der Hund.
Er hörte Kauen hinter dem Altar.
Dort war sie.
Sie nagte an einem Lammbein, Augen pechschwarz, Kleid zerrissen, summte rückwärts Kirchenlieder.
„Du sagtest, Auferstehung sei ein Geschenk“, zischte sie.
Er floh.
Sie folgte.
Seitdem regt sich jedes Jahr an Ostern etwas hinter der Kapelle.
Und nichts bleibt ewig begraben.

Samstag, 19. April 2025

Flash Fiction :: Osterparade

Sie marschierten schweigend.
Hüte, Anzüge, Kleider – tadellos. Doch die Gesichter: schlaff, die Augen trüb vom Verfall.
Die Osterparade der Stadt war zurückgekehrt – 80 Jahre zu spät.
Pater Doyle beobachtete vom Kirchturm, das Kruzifix wie ein Messer umklammert.
Er sah seinen Urgroßvater – halber Kiefer baumelnd – Kindern zuwinkend, die wie versteinert standen.
Als die erste Note der Geisterkapelle erklang, folgten die Lebenden – ruckend, verdreht.
Doyle läutete die Glocken, bis seine Hände bluteten.
Sie hörten nicht auf.
Ostern war wieder da.
Und ging nie mehr.

Freitag, 18. April 2025

Flash Fiction :: Das Hohle Ei

Jenny biss in das bemalte Ei. Es knackte – nicht aus Schokolade, sondern aus sprödem Knochen. Darin: ein winziger, mumifizierter Finger.
Ihre Mutter schnappte nach Luft. „Schon wieder“, flüsterte sie und starrte in den Korb.
Ein Ei pochte. Ein anderes zuckte.
Draußen ächzte die alte Weide im Wind.
Oma hatte immer gesagt, der Baum trage jedes Ostern Früchte – Kindheitslügen, geerntet von gierigen Wurzeln.
Jenny ließ das Ei fallen. Aus der Schale drang ein Wispern: „Du hast gesagt, du hast ihn nicht gestoßen.“
Hat sie ja auch nicht. Nicht richtig.
Die Wurzeln hörten zu.
Sie wussten es.