Samstag, 20. Mai 2017

Mythos :: Die unheimlichen Carters [2]



Notizen aus dem Schwarzen Buch

"Der graue, alte Gelehrte, munter wie zu Lebzeiten, sprach lange und eindringlich von ihrem alten Geschlecht und von den sonderbaren Visionen der delikaten und sensitiven Männer, die es bestimmten. Er sprach von dem flammäugigen Kreuzfahrer, der den Sarazenen, die ihn gefangen hielten, wahnsinnige Geheimnisse ablauschte; und von dem ersten Sir Randolph Carter, der die Magie studierte, als Elizabeth Königin war. Er sprach auch von jenem Edmund Carter, der während des Salemer Hexengerichts dem Strang nur knapp entkommen war, und der in einem antiken Kasten einen großen, silbernen Schlüssel verwahrt hatte, der von seinen Ahnen auf ihn gekommen war."
H.P.Lovecraft: "Der Silberschlüssel"

Randolph Carter war nicht der erste und letzte seiner Familie, dem ein unheimlicher Ruf zu eigen war. Er war nur der Bekannteste. Auch einige seiner Ahnen, "tollkühne, verabscheute und fremdartig beseelte Männer" brachen Torwege durch die titanischen Mauern zwischen der Welt und dem außerhalb liegenden Absoluten. Es ist bereits von jenem Hexenmeister Edmund Carter gesprochen worden, der in den Bergen nahe Arkhams etwas von den Sternen herabrief oder aus den Krypten der innersten Erde heraufbeschwor, als er 1692 aus Salem dorthin fliehen musste, um dem Strang zu entgehen.
Aber es gab auch einen Sir Randolph Carter, einen Gelehrten zur Zeit der Königin Elisabeth - jemand, der im Verborgenen die Dinge tat, für die der wundersame Dr. John Dee später bekannt werden sollte, in dem manche seinen Kollegen und Mentor sehen. Manche unterstellen auch, dass es sich bei Dee und seinen Kollegen nicht nur um Wissenschaftler, sondern auch um eine besondere Art von geheimen Dienst im Auftrag der Königin gehandelt haben könnte - in dem Geheimzeichen von Dee war er sofort wieder zu erkennen... zwei Brillengläser mit Bügel... OO7.
Wir wissen heute nicht, was Sir Randolph Carter in der Abgeschiedenheit seines Anwesens von Linwood (heute Atwood) verrichtete. Er unterhielt Kontakte bis herab an die Barbarenküste und korrespondierte mit Ausländern und Verbannten (ein Puritaner aus der Familie Kane sei hier erwähnt). Aber so wie Dee verlor auch Carter die Gunst der Hofes spätestens mit der Thronfolge des für seine Hexenverfolgungen berühmten Jakob I. im Jahre 1603. Die Ländereien in Linwood verfielen, und das Geschlecht der Carters verstreute sich über die Kolonien zu Neuengland.
Es gab Hexer unter den Carters von Neuengland, aber auch strenge Puritaner, die sich von all den Gräueln der Alten Welt bewusst abwandten.
Vielleicht wussten sie, dass die Mauern, die die göttliche Ordnung vor dem außen liegenden fremden Absoluten schützten, bereits durchbrochen waren. Und dass dahinter das Blinde Chaos auf seinem Thron lauernd wartet, bis die Zeit gekommen ist, dass die Sterne recht stehen und alle Tore sich vor dem verbotenen Schlüssel der Wissenden öffnen.

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